Das Ehepaar Meyer, Ende der 30er Jahre | Foto der Mühle: © Joana Jakutowicz/Privatbes. Fam. Meyer | Collage: © Marlene Rösch
Burchard Dabinnus
Die Mühlengeschichte
Eine deutsch-jüdisch-deutsche Familienangelegenheit in mehreren Stationen
PRESSEINFORMATIONEN
Burchard Dabinnus – Die Mühlengeschichte
Eine deutsch-jüdisch-deutsche Familienangelegenheit in mehreren Stationen
Sprecher/Spieler Marion Freundorfer, Katja Amberger, Arno Friedrich, Catalina Navarro Kirner, Burchard Dabinnus | Gäste Brigitte und Billy Meyer, Simone Bartels, Henri Rösch
Musik Brigitte Meyer und Ardhi Engl | Raum, Ausstattung Marlene Rösch, Pauline Schulze | Licht Ramona Lehnert | Dramaturgie Barbara Altmann | Konzept und Regie Burchard Dabinnus
Historischer Support Dr. Christian Rohrer
STATION 1: »Der Unfall«
Donnerstag, 16.2.2023 | Treffpunkt um 11.30 Uhr am Friedensengel
Mit: Marion Freundorfer, Arno Friedrich, Catalina Navarro Kirner, Burchard Dabinnus.
Musik: Ardhi Engl
STATION 2: »Puzzlestücke«
Samstag, 25.2.2023 | 19 Uhr und Sonntag, 26.2.2023 | 12 Uhr
HochX | www.theater-hochx.de
Mit: Marion Freundorfer, Katja Amberger, Arno Friedrich, Burchard Dabinnus.
Musik: Ardhi Engl, Brigitte Meyer
Gäste: Brigitte und Billy Meyer, Simone Bartels, Henri Rösch
weitere Projekt-Stationen (Termine NN)
Berlin, Sächsische Straße 75: Lesung aus Briefen zwischen dem Ehepaar Meyer und deren Kindern
Bartoszyce, im originalen Mühlengebäude: Lesung mit Performance in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Kulturinitiative
9. bis 15. Oktober 2023 | HochX
Materialverdichtung im Theater: »Die Mühlengeschichte« (AT)
Der Münchner Theatermensch Burchard Dabinnus schöpft seine Stoffe seit Jahren aus seiner vielfältigen Familiengeschichte: Nach »Flüsterzettel – eine geheime Liebe beim BND« (2019) über seine Eltern, die sich als Mitarbeiter des BND in Pullach kennenlernten und dort ein Paar wurden, und »Weil du mir gehörst« (2022) über den Mord an seiner Cousine Saskia, thematisiert er jetzt ein bis heute ungeklärtes Kapitel aus dem Leben seines Großvaters und macht sich nahezu detektivisch auf Spurensuche: In den 1920er Jahren gehörten die befreundeten Familien Dabinnus und Meyer zum deutschnationalen Großbürgertum von Ostpreußen. 1939 musste Hans-Joseph Meyer seinen großen Mühlenbetrieb im polnischen Bartoszyce zwangsweise verkaufen. Der Käufer war Georg Dabinnus, der Großvater von Burchard Dabinnus. Die Meyers waren eine jüdische Familie. War der Mühlen-Verkauf eine »Arisierung« wie viele andere? Und war nicht der Dabinnus-Verwandte Bruno Dzubba, im Dienst des Gauleiters Erich Koch, Spezialist für Enteignungen jüdischer Bürger? Oder war es doch eine Tarnungsmaßnahme im gegenseitigen Eiverständnis, um das Hab und Gut nicht in die falschen Hände fallen zu lassen? Hans Joseph Meyer und seine Frau Lotte wurden in Auschwitz ermordet, ihre Kinder überlebten in der Schweiz.
1939 verkaufte Hans-Joseph Meyer seine Mühle im polnischen Bartoszyce an Georg Dabinnus. Was hatte es wirklich mit dem »Verkauf« des Mühlenbetriebs auf sich? Meyer war Jude, der Verkauf fand 1939 statt. War der Mühlen-Verkauf eine Arisierung wie viele andere? War nicht, wie es ein Familiengerücht behauptet, der Dabinnus-Verwandte Bruno Dzubba im Dienst des Gauleiters Erich Koch Spezialist für Enteignungen jüdischer Bürger? Oder war es doch eine Tarnungsmaßnahme im gegenseitigen Eiverständnis, um das Hab und Gut nicht in die falschen Hände fallen zu lassen? Meyer und seine Frau Lotte wurden in Auschwitz ermordet, ihre Kinder überlebten in der Schweiz.
Vor etwa 20 Jahren suchte Billy Meyer, Enkel des ersten Mühlenbesitzers Hans-Joseph Meyer, Georg Dabinnus auf, um seinerseits Licht in die Angelegenheit zu bringen – ohne nennenswerte Erkenntnisse. Gemeinsam mit Billy und dessen Schwester Brigitte, holt Burchard Dabinnus seit Jahren die Bruchstücke dieser zwei miteinander verwobenen Familiengeschichten ans Licht und horcht familiäre Legenden ab. Auf dem Weg zur Klarheit lauern jede Menge Fragen, Widersprüche und unangenehme Überraschungen. Viele Teile des Puzzles fehlen bis heute. Die »Reste von Gestern« sind jedoch nicht nur ein Stück privater, familiärer Zeitgeschichte, sondern werfen ihre Schatten auch in unsere unmittelbare politische Gegenwart. Für Burchard Dabinnus steht deshalb der Dialog mit den Nachfahren der Meyers im Mittelpunkt der »Mühlengeschichte«.
Daraus wurde ein Theaterprojekt in mehreren Etappen:
Im Februar 2023 trafen die Meyer-Enkel Billy und Brigitte mit Mitgliedern der Dabinnus-Familie im Theater HochX zusammen. Eine dritte Familie, die mit der Geschichte zu tun hat, ist die von »Onkel Bruno«, Dr. Bruno Dzubba. Seine Tochter Ingrid Andrae, Moderatorin und Journalistin beim BR, kam 1973 bei einem bis heute rätselhaften Autounfall auf der Luitpoldbrücke ums Leben. Welche Rolle ihr Vater im Nationalsozialismus spielte und ob er etwas mit der »Mühlengeschichte« zu tun hatte, ist ebenso eine der zentralen Recherchefragen des Projekts.
Im Sommer 2023 fanden performative Lesungen in Berlin und in Olsztyn/Polen statt.
Die zweijährige Theaterrecherche mündet nun, im Oktober 2023, in einen Theaterabend, der das gewonnene Recherchematerial, Legenden und Interviews und viele neue Erkenntnisse verdichtet, die zum Teil auch entfernte Familienangehörige beisteuerten, die erst durch die Veranstaltungen im HochX im Februar 2023 auf das Thema aufmerksam geworden sind. »Die Mühlengeschichte« ist nicht nur eine Geschichte, sondern in ihr verschmelzen, verknoten sich viele Stränge: private Familiengeschichten und Zeitgeschichte, Schuld und Verantwortung, Antisemitismus, Täter- und Opferschaft. Nicht zuletzt ermutigt »Die Mühlengeschichte« auch das Publikum, eigene Familienerzählungen zu hinterfragen.
Weitere Stationen in Berlin und Bartoszyce sind in Vorbereitung.
Die Ehepaare Meyer und Dabinnus, 30er Jahre | Foto: © Privatbesitz Meyer und Dabinnus | Collage: © Marlene Rösch
Die Mitwirkenden
Burchard Dabinnus ist Schauspieler, Sprecher, Regisseur und Autor eigener Produktionen (zuletzt »Weil du mir gehörst« am TamS, 2022). Unter anderem war er in zahlreichen Produktionen des Münchner TamS zu sehen und von 2004 bis 2011 im Ensemble des Münchner Residenztheaters tätig. Im Bayerischen Rundfunk ist er in Hörspielen, Features und im Kinderfunk zu hören.
Katja Amberger studierte Schauspiel am Mozarteum Salzburg. Sie arbeitete u.a. mit Robert Lepage, Leander Haußman und Philippe Besson zusammen, spielte u.a. am Schauspielhaus Zürich, Staatstheater Stuttgart, Residenztheater München, Stadttheater Basel und am Hans Otto Theater Potsdam, am Theater am Kurfürstendamm Berlin, TamS Theater München und am Theater Junge Generation Dresden. Mit Burchard Dabinnus verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit in diversen Produktionen. Außerdem spielt sie in TV-Produktionen und arbeitet als Sprecherin für den Bayerischen Rundfunk.
Marion Freundorfer, gebürtige Münchnerin, steht seit dem Abschluss ihrer Schauspielausbildung 1989 im deutschsprachigen Raum auf der Bühne oder fürs Fernsehen vor der Kamera. Sie spielte u.a. an Theatern in München, Bremen, Stuttgart, Bregenz oder Brixen.
Arno Friedrich studierte Kunstgeschichte und Philosophie an der FAU Erlangen und Schauspiel in Berlin. Seit 2009 ist er freiberuflich als Schauspieler und Regisseur tätig und arbeitete u.a. mit Carsten Golbeck, Hans Hirschmüller, Eos Schopohl, Oliver Zahn, Emre Akal, Philipp Jescheck, Lorenz Seib und Burchard Dabinnus zusammen. Er spielt in Film- und Fernsehproduktionen, arbeitet als Synchronsprecher sowie als bildender Künstler, Filmer und Autor. Zuletzt inszenierte er »Parzival« im Theater Viel Lärm um Nichts (2022).
Catalina Navarro Kirner, Tochter schwäbisch-spanischer Eltern, arbeitet seit 20 Jahren als Schauspielerin für Film, Fernsehen und Theater. Seit 2009 ist sie an zahlreichen Projekten von Burchard Dabinnus beteiligt.
Ardhi Engl, Kind deutsch-indonesischer Eltern, Gitarrist, Multiinstrumentalist, Komponist, Klangforscher, Instrumentenbauer und Videokünstler, arbeitet für Theater- und Performanceprojekte, u. a. von Burchard Dabinnus und Ruth Geiersberger, und gibt Konzerte z.B. mit Geoff Goodman, Sebi Tramontana, Christoph Reiserer, Ulrich Wangenheim und Alex Haas. 2013 erhielt er den Förderpreis Musik der Landeshauptstadt München.